Gedanken zum Thema „krankhafter und gesunder Ehrgeiz“ im Budo
von Klaus Trogemann*
Aus Beobachtungen in den vergangenen letzten 40 Jahren als Trainer reifte in mir der Gedanke, einmal Betrachtungen zu diesem Thema anzustellen. Natürlich ist dies ein weites Feld, aber es sollten hier Betrachtungen nur im Zusammenhang mit dem Erlernen und praktizieren der Budo-Kampfkünste angestellt werden.
Der Ehrgeiz ist allgemein ein wichtiger Motivationsträger und -initiator, der einen zum Erreichen von vielen Zielen beflügeln kann, sei es eine solide
Schul- und Ausbildung, ein erfüllter Beruf, das Beherrschen einer Kunst oder sportliche Erfolge. Wenn man eine Kampfkunst erlernen möchte, so ist auch hier ein gewisses Maß an Ehrgeiz erforderlich, um in ihr voranzukommen. Jedoch ist hier zwischen dem gesunden und förderlichen Ehrgeiz sowie dem ungesunden und hinderlichen Ehrgeiz zu unterscheiden.
Der gesunde Ehrgeiz motiviert einen, sich immer wieder den täglichen Strapazen des Trainings zu stellen. Ein sich selbst gestecktes Ziel zu erreichen, wie z.B. eines Tages den Schwarzgurt zu erwerben. Auf dem Weg dahin mit all seinen Tiefen und Höhen nicht aufzugeben und weiterzumachen, und wenn es noch so schwer fällt. Die Zeit dazu spielt keine Rolle, denn wichtig ist das gesteckte Ziel, eines Tages den Schwarzgurt zu erwerben. Wichtig ist es dabei, dass der gesunde Ehrgeiz einen in positiver Hinsicht motiviert, weiter zu machen, auch wenn es auf dem Weg noch so viele Widerstände gibt. Ferner ist es wichtig zu akzeptieren, dass nicht alles so seinen Gang gehen muss, wie man es sich erwünscht, da vielleicht die Ausbildung, eine Krankheit, private Lebensumstände oder sonstige Schwierigkeiten einen auf dem Weg dahin temporär aufhalten. Entscheidend ist nur, man verliert sein Ziel nicht aus den Augen und akzeptiert auch Hindernisse, die auf dem Weg dahin von einem selbst beseitigt werden müssen. Ebenso wichtig ist die Geduld, die Techniken der erforderlichen Zeit gemäß gründlich und exakt zu erlernen und immer wieder zu üben, bis sie dann als ein Bild selbst dem Außenstehenden erkennbar werden und nicht nur eine blinde Aneinanderreihung von nicht verstandenen Techniken darstellen, deren Sinn auch nach außen hin nicht erkennbar ist.
Das Üben, der mit dem höher werdenden Grade immer komplexer werdenden Techniken, dient nicht nur alleine der körperlichen Ertüchtigung, sondern auch der Entwicklung der mentalen und der geistigen Reife. Man sollte die Philosophie, die hinter der jeweiligen Technik steht, eingehend studieren, um so einen tieferen Einblick in deren gedachten Ablauf zu gewinnen. Dies dient auch dem eigentlichen Entwicklungsprozess eines Kampfkünstlers, der sich durch die einzelnen Ränge bzw. Graduierungen nach oben arbeitet. Deshalb sollte man nicht aus falschem Ehrgeiz einfach Ränge überspringen, weil man so nicht die erforderliche Zeit für sich selbst spendiert, die aber notwendig ist, die jeweiligen Lektionen in jedem Rang zu würdigen und schätzen zu lernen. Dieses erforderliche Studium einfach zu umgehen, beraubt den Schüler wie auch den Trainer, um die wertvolle Erkenntnis, was wohl die alten Meister gefühlt haben mögen, als sie diese Techniken erschufen. Das
heißt, alles braucht seine notwendige Zeit und kann nicht im blinden Ehrgeiz einfach im darüber Eilen wirklich erfasst werden. Den wirklichen Könnensgrad zeigt die Ausführung einer Technik und nicht die Anzahl der vermeintlich erlernten. Nur durch eigene Anstrengung und Bemühungen erfährt man das Wissen und die Weisheit, die man nicht in den Büchern findet. Ein gesunder Ergeiz be ügelt dazu, sein
gestecktes Ziel eines Tages mit Geduld und viel Fleiß zu erreichen. Man erkennt es daran, dass derjenige, der sich Zeit nimmt und geduldig und beharrlich sein Ziel verfolgt, erst dann zufrieden ist, wenn das Ergebnis auch nach außen hin erkennbar erreicht ist. Ein guter Lehrer wird die Fortschritte erkennen und anerkennend Kommentieren. Der krankha e Ehrgeiz jedoch – entsprungen dem primitiven Geltungsdrang und dem eigenen übersteigerten Ego – treibt und verleitet einen, sich zu wenig Zeit zu nehmen, um gesteckte Ziele solide zu erreichen. Ständig muss sich einer mit anderen vergleichen. Die anderen werden allerdings dauernd kritisiert, anstatt dass man auf sich selbst kritisch schaut. Man traut sich selbst immer mehr zu und setzt sich in Selbstüberschätzung Ziele, die in der Kürze der sich selbst zugestandenen Zeit unrealistisch und nicht solide machbar sind. Dabei bringt man sich nur um den wirklichen auch nach außen hin erkennbaren Erfolg.
Am Budo ist der krankhafte Ehrgeiz besonders signifikant beim voreiligen Erlernen wollen von neuen, komplexeren Techniken zu erkennen. Obwohl die zuvor angefangenen Techniken noch nicht sauber sitzen und verinnerlicht sind, giert man schon auf die nächste, weil man damit sein Selbstwertgefühl heben möchte. Auch die vorschnelle Jagd nach dem nächsten Gürtel, kürzere Prüfungsintervalle als angedacht, ist ein typisches Erscheinungsbild, das nur so von Selbstüberschätzung trieft. Das Rennen durch die Graduierungen ist typisch dafür, dass jene verblendet den Stellenwert eines Kampfkunstschülers an dessen Gürtelfarbe und nicht an dem Wert der Person selbst messen. Die Reife eines Budoka ist unabhängig von der ausgeübten Kunst nicht einfach mit einem Rennen auf der Rennbahn zu vergleichen. Der Reifeprozess ist ein lebenslanges Bemühen um Verbesserung. Es ist nicht der Sprinter mit den vorschnellen brüchigen Erfolgen auf der Kurzstrecke gefragt, sondern der Steher mit seinen soliden, fundierten und bleibenden Errungenschaften auf der Langstrecke. Hier kann man deutlich den Unterschied sehen, zwischen dem auf kurzfristigen, scheinbaren Erfolg ausgerichteten krankhaften Ehrgeizigen und dem auf langfristiges solides Können ausgelegten gesunden Ehrgeizigen. Kampfkunst ist keine Spielwiese für eitle Selbstdarsteller, sondern ein Betätigungsfeld für ernsthafte, strebsame auf langfristig solide Entwicklung ausgerichtete Persönlichkeiten.
Quelle: DDK-Magazin Nr.44/April 2009
*Klaus Trogemann ist
Bundesbeauftrager für Tang Soo Do im DDK